Mikrofinanzierung: Mikrokredite für Existenzgründer und Kleinstunternehmen – ein Modell auch für Deutschland?
Eingeladen vom SfG der Universität zu Köln, dem FgF sowie dem Seminar für Allgemeine Bankwirtschaftslehre waren Experten aus der Praxis, um das Thema unter der Moderation von Herrn Prof. Hartmann-Wendels zu erörtern. Herr Prof. Hans Jürgen Rösner machte einleitend auf die Bedeutung der micro-credit-, micro-savings- sowie micro-insurance-Konzeptionen als Forschungsthema im Entwicklungszusammenhang im Seminar für Genossenschaftswesen aufmerksam.
Die Abläufe der Geldbeschaffung sowie die Situation in Deutschland im Bereich der bestehenden Mikrofinanz-Anlagemöglichkeiten beschrieb Herr Dr. Berndorff, Vorsitzender der Pax-Bank (Köln). Anleger in Mikrokreditfonds sind private Spender, Entwicklungsagenturen sowie institutionelle Investoren. Weltweit existieren ca. 10.000 Mikrofinanz-Investmentfonds, welche wiederum 130.000.000 Darlehensnehmer haben, vor allem Frauen. Nach Berndorff ist der Bedarf aber noch wesentlich höher. Es gibt drei Möglichkeiten, Sondervermögen weiterzuleiten: Entwicklungsorientierte Mikrofinanzfonds mit sehr niedrigen Renditezielen ziehen ethisch motivierte Anleger an. Kommerzielle Mikrofinanzfonds verfolgen hohe Renditeziele, die in einer Mindestrentabilität plus Social Return quantifiziert werden. Quasi-kommerzielle Fonds streben die Mobilisierung privater Investitionen an. Als Beispiele für Mikrofinanzierungen in Deutschland nennt Dr. Berndorff die NRW-Bank, die unter anderem Darlehen an Studenten und Firmengründer vergibt, sowie das deutsche Mikrofinanzinstitut in Berlin.
Falk Zientz bezeichnet die vor 40 Jahren gegründete GLS Bank eG als die älteste ethische Bank in Deutschland. Er beschrieb die Mikrofinanzinstitutionen in Deutschland sowie den Ablauf der Kreditverwaltung. Dabei zeigt sich, dass Eigenschaften wie Transparenz, Mittelverwendung unter ethisch-ökologischen Aspekten, aktive Mitentscheidung und gute Renditen von den Kunden honoriert werden. So konnte die GLS in den letzten Jahren um ca. 20 Prozent pro Jahr wachsen. Zientz stellte Mikrokredite als das finanzwirtschaftliche Instrument gegen Armut schlechthin heraus. Dabei erläuterte er wichtige Funktionen der Mikrofinanzinstitutionen und betonte, dass Mikrokredite nicht mit social lending zu verwechseln seien. Die Benchmark für Kreditausfälle läge hier bei lediglich 10 Prozent.
Ganz nah dran an den Nachfragern von Mikrokrediten ist Hubert Nagusch von der Nordhand eG aus Dortmund sowie Mitarbeiter des Amtes für Wirtschaftsförderung der Stadt Dortmund. Sein Bezirk ist die Dortmunder Nordstadt, deren Problemhintergrund er anhand ausgewählter Daten anschaulich beschrieb. Nagusch wurde auf das Problem der Kreditfähigkeit „ungelernter Unternehmer“ aufmerksam, die vielfach aus Armut gegründet haben. Um den Kleinstbetrieben der Innenstadt Nord einfache Kleinkredite vermitteln und dabei den Verwaltungsaufwand sowie das Risiko minimieren zu können, wurde die Nordhand eG gegründet. Kreditsuchende müssen Genossenschaftsmitglied werden und zunächst über den Zeitraum eines halben Jahres ansparen, bevor sie einen Kredit (Höchstsumme 10.000 Euro) erhalten. Die Idee hierbei ist, dass die Mitglieder über sozialen Druck (Peinlichkeit) im Quartier dazu angehalten werden, ihre Kredite zurückzuzahlen und möglicherweise darüber hinausgehendes bürgerschaftliches Engagement zu zeigen. Die Interessen der kommunalen Gemeinschaft hat Nagusch bei seinem Engagement gleichzeitig im Blick: als städtebauliches Motiv nannte er die zweckdienliche Nutzung der Immobilien, die Erhaltung der Finanzströme sowie die Sicherung der Beschäftigung im Quartier.
Die Diskussion drehte sich zunächst darum, wie man das Geschäft mit Mikrokrediten so betreiben kann, dass es sich trägt. Zum einen wird (zumindest in Entwicklungsgesellschaften) ein hoher Zinssatz verlangt, zum anderen gibt es kaum Kreditausfälle. In Deutschland besteht aufgrund von hochsubventionierten Förderkrediten nur ein geringer Raum für Mikrokredite. Allerdings haben nach Zientz etwa 15 Prozent der Kleinstunternehmen Bedarf an Zwischen- bzw. Vorfinanzierungen. Entsprechend möchte die GLS Bank in fünf Jahren die Vergabe von 10.000 Krediten pro Jahr erreichen. Dabei müssen Mikrokredite einfach strukturierte Finanzprodukte bleiben, da der Verwaltungsaufwand sonst zu hoch sei und sich das Ganze nicht mehr rechne.
Übereinstimmend wurde die Mikrofinanzierung als ein Element der lokalen Ökonomie bezeichnet, das sich längerfristig selbst überflüssig machen soll, indem es den Kreditnehmern hilft, die Armut zu überwinden und ihnen beibringt, wirtschaftlich zu denken. Da dies dem genossenschaftlichen Grundsatz der „Hilfe zur Selbsthilfe“ entspricht, wurde die Rechtsform der Genossenschaft für solche Organisationen befürwortet, die Mikrokredite betreuen bzw. beratend unterstützen.