zum Inhalt springen

Genossenschaftlich wohnen und leben – Herausforderungen an Wohnungsgenossenschaften in Deutschland –

Georg Potschka

Zu diesem Thema fand am 13. Juni im Neuen Senatssaal der Universität zu Köln erneut ein Theorie-Praxis-GenossenschaftsFORUM statt. Eingeladen waren alle Interessierte vom Seminar für Genossenschaftswesen sowie vom Verein zur Förderung der genossenschaftswissenschaftlichen Forschung an der Universität zu Köln.

 „Wohnst Du noch oder lebst Du schon?’ Diese bekannte Werbefrage eines großen Möbelhauses stellt sich nicht für Wohnungsgenossenschaften.“ Darauf machte einleitend der Direktor des Seminars für Genossenschaftswesen, Herr Prof. Dr. Hans Jürgen Rösner aufmerksam. Denn von Anfang an im 19. Jahrhundert ging es den Wohnungsbaugenossenschaften um mehr als allein um die Herstellung eines angemessenen und gesunden Wohnungsangebotes für breite Bevölkerungsschichten. Angesichts der enormen Herausforderungen, denen sich die Wohnungswirtschaft und darin auch die genossenschaftlichen Unternehmen heute stellen müssen, stellte sich die Frage nach neuen Projekten und neuen Wohnmodellen.

Georg Potschka, Vorsitzender der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Ehrenfeld eG, berichtete für sein Unternehmen über „Wohnen im Alter“. Seine 1899 gegründete Genossenschaft, die er einleitend kurz dargestellt hat, macht mit bei den vom Land NRW geförderten neuen Wohnmodellen. Zur Verfügung stand ein bereits in den 1980er Jahren erworbenes Grundstück, dessen Bebauungsplan bereits vorhanden war, als der Verein „Wohnen mit Alt und Jung“ e.V. an ihn mit der Bitte um Beratung bei einer genossenschaftlichen Neugründung herantrat. Schnell wurde aber deutlich, dass anstelle einer Neugründung auch eine vertraglich abgesicherte Kooperation und Betreuung zum Ziel führten würde: gemeinsame Pflegewohnungen, in denen der Verein „zu Huss e.V.“ nach den Grundsätzen der aktivierenden Pflege arbeiten kann, Altenwohnungen seitens der Genossenschaft, Gemeinschaftseinrichtungen wie Bücherei, Gemeinschaftsgarten, Nachbarschaftshilfe unter Mitwirkung des Vereins. Dieses Projekt ist noch in der Entwicklung, so dass weder die Gruppe der Nutzer geschlossen, noch die Ziele als abgeschlossen gelten können. Der Baubeginn ist mit Juni 2005 angesetzt, das Bauprojekt mit 4,7 Mio. EURO beziffert, wobei die Genossenschaft ca. 20 % an Eigenleistungen einbringt. Die Miete wird zwischen 4,80 und 8,50 €/qm liegen – je nachdem ob sie einen der beiden Förderwege betrifft oder freifinanziert sein wird. Für den ersten und zweiten Förderweg sind insgesamt 19 Wohneinheiten und für die Freifinanzierung 11 Wohneinheiten vorgesehen.
Dem Vorsitzenden der Genossenschaft ist klar, dass der Wohnungsneubau nicht ausreicht, um neue Wohnmodelle zu ermöglichen. „Wohnungsgenossenschaften müssen aus dem Bestand heraus neue Angebote machen.“ Dass dies mit Einfühlungsvermögen und den richtigen Informationen über Fähigkeiten und über die Bedürfnisse der Bewohner möglich ist, auch dafür hatte Herr Potschka treffende Beispiele. Deutlich wird aber auch, dass es Aufgabe des Vorstandes ist, zukunftsfähige Wohnangebote zu kreieren. Die Mitglieder, die zum Teil schon mehrere Jahrzehnte in der Genossenschaft leben, machen erstaunlicher weise selber nur wenig deutlich, welche Wohnbedürfnisse sie haben.

Werner Wilkens

Ein kultureller und geographischer Sprung hin zu Indien zeigte, dass die dortigen Probleme und Herausforderungen für Wohnungsgenossenschaften gänzlich anderer Natur sind. Werner Wilkens, der Geschäftsführer der DESWOS (Deutsche Entwicklungshilfe für soziales Wohnungs- und Siedlungswesen e.V.) berichtete ausführlich über den Satzungsauftrag, die Ziele und Vorgehensweise von DESWOS. Zu 43 Prozent wird DESWOS von Wohnungsgenossenschaften gefördert, den Rest übernehmen mit der Wohnungswirtschaft verbundene Unternehmen wie Banken und Sparkassen, Bauunternehmer, Handwerksbetriebe, private Mitglieder, öffentliche Förderer sowie Dritte-Welt-Gruppen und Kirchengemeinden. Ähnlich breit wie die Förderer sind auch ihre Motive der Unterstützung: von Anfang an sind Genossenschaften auch international orientiert und kennen internationale Solidarität, die zu Gegenseitigkeitshilfe führt. Hinzu treten religiöse sowie weltanschauliche Ethiken und Überzeugungen, Corporate Social Responsibiltity, aber auch Aspekte der Imagepflege und nicht zuletzt solche der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Spendengelder. Überzeugend legte Herr Wilkens dar, wie Entwicklungszusammenarbeit mit Genossenschaftsideen verknüpft werden kann. Um sozial und wirtschaftlich Benachteiligte in Genossenschaftsprojekten zu fördern, wird mit allen möglichen Partnern vor Ort zusammengearbeitet. In jahrelanger Erfahrung haben sich Frauen als die besseren Projektträger in der Entwicklungszusammenarbeit bewährt. Werden Frauen gefördert – etwa im Hausbau oder bei der Kreditgewährung für Selbstständigkeit – kommt dies langfristig und nachhaltig der gesamten Familie zugute. Die Frauenförderung erfolgt zum einen durch die Spar- und Kreditgruppen, die es inzwischen überall in Indien gibt. Hier geht es um die Herausarbeitung eines Business-Planes und die Beratung bei einkommensschaffenden Maßnahmen, damit sich die Frauen - etwa mit Hilfe einer Nähmaschine – selber einen Arbeitsplatz schaffen. Flankiert wird die Frauenförderung von dem Projekt „Lasst Frauen bauen“. Dieses Projekt richtet sich nach den baulichen Wünschen der Frau, wodurch viele Arbeitserleichterungen (z.B. Kochen im Stehen anstelle einer Feuerstelle auf dem Boden) beim Bau berücksichtigt werden, und es schafft Eigentum für die Frau, denn das Haus der Familie wird auf den Namen der Frau eingetragen. So sind die Mütter mit ihren Kindern besser wirtschaftlich abgesichert. Abgerundet werden diese Projekte mit technisch und ökologisch angepaßten Verbesserungen bei der Wasserversorgung sowie in der Gesundheitsvorsorge und der medizinischen Betreuung.

Herr Wilkens wußte aus seiner langjährigen Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit interessante Details aus einzelnen Projekten zu berichten, ohne dabei mögliche Gefahren zu verkennen, die in der Sinnentleerung durch hochgradige Professionalisierung und Ökonomisierung, in der besonderen Umwerbung großer Geldgeber, in der Elitebildung und im Erlahmen von Mitgliederinteressen und dergleichen liegen können. Daher ist ihm besonders daran gelegen, dass vor Ort jemand an unterer Stelle als Ansprech- und/oder Projektpartner zur Verfügung steht. Sein Fazit lautet: Es gibt kein Projektschema, das den Erfolg garantiert. In den sich entwickelnden Ländern herrschen so große kulturelle Unterschiede, dass man nur mit großer Erfahrung die Ausgangs-bedingungen realistisch einzuschätzen lernt. Nicht da, wo am meisten und am lautesten über die bestehenden Verhältnisse geklagt wird, herrscht auch immer die größte Not, sondern oftmals wird Armut mit beeindruckender Gelassenheit hingenommen.

Herr Robert Weiler, dem Vorsitzenden des Vereins zur Förderung der genossenschafts-wissenschaftlichen Forschung gelang es in der Zusammenfassung, den weiten Bogen zurück nach Deutschland zu schlagen, und er verabschiedete die Zuhörer. Einigkeit bestand, dass dieser Nachmittag eine Fülle an Informationen und interessanten und weiterführenden Aspekten ergeben hat. Der anschließende Imbiss erfüllte die damit verbundene Idee: bei informellen Gesprächen wurden weitere Kontakte geknüpft und Informationen ausgetauscht.