Das genossenschaftliche Geschäftsmodell im aktuellen Finanzmarktumfeld: Jetzt Stärken zur Weiterentwicklung nutzen
Vortrag von Wolfgang Kirsch, Vorstandsvorsitzender der DZ BANK AG
Warnung vor Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Unterstützungsleistungen
Hans Pfeifer skizziert mit einigen kurzen Statements die aktuelle Situation auf dem Finanzmarkt aus Sicht des genossenschaftlichen FinanzVerbundes. Das auf Nachhaltigkeit und Regionalität beruhende genossenschaftliche Geschäftmodell sorgt auch in der Finanzkrise dafür, dass im genossenschaftlichen FinanzVerbund hinreichende Liquidität vorhanden ist, die an Kreditnehmer weitergereicht werden kann. Aus ordnungspolitischer Sicht macht Hans Pfeifer kritische Anmerkungen: ohne dass die Notwendigkeit des Rettungspaketes der Bundesregierung für den Bankensektor angezweifelt wird, ist die Versorgung der Konkurrenz mit Mitteln durch den Staat dann kritisch zu betrachten, wenn sie verzerrend auf die Marktpreise zu Lasten derjenigen wirkt, die keine Unterstützung seitens des Staates beanspruchen. Bisher konnten die Genossenschaftsbanken stets ihre Probleme selber lösen, doch sollte es zu Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Unterstützungsleistungen kommen, muss das Prinzip der Gleichbehandlung greifen. Dabei ist allerdings die Vorstellung der Politiker, nach der es eine Sicherungseinrichtung für alle Banken geben soll, als zynisch zu betrachten. Ein Rettungsschirm für alle Banken lädt geradezu zu Moral-Hazard-Verhalten ein. Die Sicherungseinrichtungen der Genosseschaftsbanken haben in der Vergangenheit sehr zuverlässig dafür gesorgt, dass Geldanlagen im genossenschaftlichen Finanzverbund sicher angelegt sind.
Aktuell erleben wir eine Krise des Finanzsystems
Wolfgang Kirsch, der schon als Student in den 1970er Jahren im Rahmen des Bankwirtschaftlichen Hauptseminars von Prof. Büschgen in diesem Hörsaal saß, diagnostiziert zu Beginn seines Vortags nicht eine Krise „im“, sondern eine Krise „des“ Finanzsystems. Alle Finanzkrisen zeigten sich in einem Zuviel an Liquidität und einem Zuviel an Risiko, so auch die derzeitige Krise. Anhand geeigneter Folien zeichnet er die Entwicklung der US-Subprime-Krise hin zur globalen Finanzkrise nach. Diese führt in mehreren Ländern die Staatshaushalte durch die Rettungsaktionen an ihre Grenzen, so insbesondere in Island und Österreich. Die staatlichen Rettungsaktivitäten in Deutschland – eine bundeseigene „Bad Bank“, eine Garantie bei Verbleib der Liquidität und Abarbeitung in den Instituten, neue Bilanzregeln sowie die Verstaatlichung der systemrelevanten Banken – werden von ihm kurz kritisch diskutiert. Deutlich zeigt Kirsch, dass die derzeitige globale Finanzkrise nicht als Verursacher, aber als Katalysator für die Krise der Realwirtschaft anzusehen ist. Voraus gingen insbesondere starke Rohöl- und Verbraucherpreisanstiege im 1. Halbjahr 2008, welche zu fallenden Aktienkursen und zu einem ersten Rückgang der Konjunktur führten.
Auch im schwierigen Marktumfeld ist das genossenschaftliche Geschäftsmodell in Takt
Derzeit kann in Deutschland noch nicht von einer Kreditklemme gesprochen werden, da das Kreditvolumen angesichts der schwachen Wachstumsdynamik noch hoch sei. Auch wenn für das Jahr 2009 ein drastischer Rückgang des Kreditvolumens erwartet wird, dürften das die kleinen und mittleren Unternehmen, die Kunden der Genossenschaftsbanken, nicht spüren. Auch im schwierigen Marktumfeld ist das genossenschaftliche Geschäftsmodell in Takt, denn genossenschaftliche Bankenverbünden haben traditionell ein diversifiziertes Geschäftsmodell, geringe außerbilanzielle Aktivitäten, stabile Refinanzierungsquellen sowie eine enge Beziehung zu den Kunden und Eigentümern der Bank, den genossenschaftlichen Mitgliedern. Aber insbesondere über die Zentralbanken laufen die Verbindungen zu den internationalen Finanzmärkten. Auch robuste Geschäftsmodelle verhindern offensichtlich nicht Fehleinschätzungen, so dass kürzlich die DZ Bank rund 1 Mrd. Euro Verlust bekannt geben musste. Trotzdem wurde das gute Rating der DZ Bank-Gruppe von den internationalen Ratingagenturen bestätigt (siehe Folie 18). Nicht zuletzt aufgrund der starken Kohäsion, des diversifizierten Geschäftsmodells und des ausgebildeten robusten Sicherungssystems werden die DZ Bank Gruppe sowie der genossenschaftliche Finanzverbund insgesamt als stabile Einheit angesehen.
Kerngeschäft der DZ Bank als Zentralbank ist die Stärkung der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Die notwendigen geschäftspolitischen Schritte, um eine führende Marktposition im Retailmengengeschäft, im gehobenen Privatkunden-Segment sowie im Transaction Banking für den genossenschaftlichen FinanzVerbund zu behaupten, werden von Wolfgang Kirsch dargelegt.
Die anschließende Diskussion unter der Leitung von Prof. Thomas Hartmann-Wendels drehte sich um die geeigneten Instrumente zur Wiederherstellung der Kreditfähigkeit der Banken insgesamt, um das Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken sowie um besondere ethische Aspekte des genossenschaftlichen Bankmodells.
Abschließend dankte Prof. Hans Jürgen Rösner Wolfgang Kirsch für den sehr anregenden Vortrag und insbesondere für die Zeit, die er den Zuhörern in dieser angespannten Lage schenkte.